Mit einem einzigen Samen fängt alles an. Aus ihm entsteht neues Leben, eine Pflanze, die uns als Nahrung dient. Der Samen ist ein wichtiger Teil unserer Bildsprache, er steht für Wachstum, für Hoffnung, für das Neue. Dennoch wissen wir wenig über Samen und Saatgut. Erfahre, wie ein Samen entsteht, was man unter samenfestem Saatgut versteht und warum unsere Kaufentscheidungen beim Thema Saatgut so wichtig sind.
Diese Aspekte zum Thema Saatgut erwarten dich:
Beginnen wir also beim Kern des Ganzen – oder besser: beim Samen. Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff “Samen”? Ist doch klar – die kleinen Körnchen eben, aus denen Pflanzen wachsen. Diese Erklärung würde dem Samen als Symbol des neuen Lebens allerdings nicht gerecht. Denn in ihm steckt der Pflanzenembryo, in dem sich die genetischen Eigenschaften der Elternpflanze(n) vereinigen.
Schon im Samen steht also fest, wie die spätere Pflanze aussehen oder schmecken wird. Der Embryo oder Keimling wird geschützt von einem Nährgewebe und einer Schale. Diese bewahrt ihn vor Kälte, Wind und Wetter und vor allem vor einer frühzeitigen Keimung. Denn anders als ein menschlicher Embryo wächst ein Pflanzenkeimling nach der Befruchtung nicht weiter, da er so innerhalb von kurzer Zeit seine im Nährgewebe gespeicherten Energiereserven verbrauchen würde.
Vielmehr reagiert er erst dann mit einer Keimung, wenn um ihn herum für sein Wachstum optimale Bedingungen herrschen, also genügend Feuchtigkeit, ausreichend Licht und genau die richtige Temperatur. Dann nimmt er seine ganzen Kraftreserven zusammen und bricht mit seinem zarten Grün durch die Schale.
Wir erinnern uns düster an den Biologieunterricht: Ein Samen bildet sich nach der Befruchtung eines weiblichen Blütenstempels mit männlichen Pollen.
Selbstbestäubende Pflanzen besitzen männliche und weibliche Blüten, mit denen sie sich selbst befruchten können oder sie haben sogar zwittrige Blüten, bei denen der Blütenstempel mit den Pollen derselben Blüte befruchtet werden kann.
Fremdbestäubende Pflanzen hingegen sind auf Wind oder Insekten angewiesen, damit männliche Pollen der einen Pflanze auf den weiblichen Blütenstempel einer anderen Pflanze getragen werden und so neues Leben entsteht: der Samen.
Durch die stetig neuen genetischen Eigenschaften passen sich fremdbestäubende Pflanzen in der Natur über die Jahre perfekt an ihre Umgebung an, indem immer nur die am besten angepassten Exemplare überleben und sich fortpflanzen können.
Wenn wir Menschen die Bestäubung in die Hand (oder sogar mit ins Labor) nehmen und immer nur die Pflanzen weitervermehren, welche die von uns gewünschten Eigenschaften besitzen, spricht man von Züchtung.
Jetzt könnte man meinen: Super, wenn ich eine orange Blume haben will, nehme ich einfach eine Pflanze mit roten und eine mit gelben Blüten und zack! Fertig ist die Wunschblume. Aber du ahnst schon: So einfach geht’s dann doch nicht, denn auch bei Pflanzen ist die Verteilung von genetischen Eigenschaften sehr komplex.
Möchte man also eine Karottensorte züchten, die eine große Rübe und saftiges Grün hat, benötigt man einen großen Pool aus Kultur- und Wildkarotten, bei denen genau diese Eigenschaften vorhanden sind. Die ausgewählten Exemplare vermehrt man durch natürliche oder künstliche Bestäubung. Aus den Nachkommen sortiert man nun jedes Jahr die Karotten aus, die blasses Grün und eine kleine Wurzel haben und behält nur die Pflanzen, die besonders groß sind und deren Grün besonders saftig ist. Dieser Schritt wird mehrmals wiederholt.
Bis man durch solch einen Prozess eine neue Sorte erhält, bei der die Nachkommen verlässlich sowohl ein saftiges Grün als auch eine große Rübe (und alle sonstigen Merkmale der Sorte) aufweisen, dauert es sehr lange. Denn zu Beginn einer Züchtung wird es immer wieder Ausreißer geben, die stark von den gewünschten Eigenschaften abweichen.
Auch nach der Eintragung der Sorte müssen Pflanzen mit ungewünschten Eigenschaften bei der Züchtung aussortiert werden. Man spricht dann von „Erhaltungszüchtung“.
Die Kreuzung zweier bestehender Sorten ist neben der Auslese eine weitere Möglichkeit, eine neue Sorte zu erhalten. Es werden gezielt zwei Elternteile mit unterschiedlichen Eigenschaften gekreuzt und wiederum nur die Nachkommen mit den gewünschten Eigenschaften behalten und weitervermehrt.
Die beiden bewährten Verfahren zur Züchtung neuer Sorten kannst du dir so vorstellen:
Auf Samentütchen findest du manchmal den Begriff "samenfest". Steht das für den Härtegrad des Saatguts? Oder ist es eine heimliche Einladung zu einer Veranstaltung, auf der Saatgut getauscht wird? Weder noch. Der Begriff sagt vielmehr etwas über die Vermehrungsfähigkeit des Saatguts aus.
Samenfest ist Saatgut dann, wenn die Nachkommen der daraus entstehenden Pflanzen die gleichen Eigenschaften aufweisen wie ihre Eltern. Dadurch können sie sortenrein immer weiter vermehrt werden. Diese Einheitlichkeit hält nur auf den ersten Blick stand. Denn durch eine gewisse genetische Variabilität können die einzelnen Pflanzen durchaus unterschiedlich sein – sie sind einzigartig und anpassungsfähig zugleich.
Samenfestes Saatgut kann von Landwirt:innen und Hobbygärtner:innen selbst aus samenfesten Sorten gewonnen, also „nachgebaut“ werden. Die OECD stellte in einer Studie 2018 fest, dass nur 25 % des Saatguts in Europa sogenanntes Nachbausaatgut ist. Hierbei gibt es große Schwankungen, zum Beispiel zwischen Mais und Weizen (Weizen wird mehr nachgebaut). Der Rest des Saatguts ist häufig Hybridsaatgut, das zur Ertragssteigerung aus zwei Inzuchtlinien gezüchtet wird und von Landwirt:innen nicht nachgebaut und vermehrt werden kann beziehungsweise darf.
Welches Saatgut zugelassen wird und verkauft werden darf, regelt in Deutschland das Saatgutverkehrsgesetz. Die Zulassung erfolgt durch das Bundessortenamt, wenn die neu gezüchtete Sorte bestimmten Kriterien entspricht. Erst danach wird sie zum Anbau freigegeben.
Wer Saatgut vertreiben möchte, muss es darüber hinaus amtlich zertifizieren lassen.
Als sogenannte Erhaltungssorten können regional angepasste, alte „Landsorten“ zugelassen werden, die den hohen Anforderungen des Saatgutverkehrsgesetzes sonst nicht entsprechen. Dieses Saatgut ist aber in der Regel nicht so leistungsfähig wie das moderner Sorten.
Erhaltungssorten brauchen keine amtliche Zertifizierung, um verkauft werden zu dürfen, dürfen allerdings nur in ihrer Ursprungsregion vertrieben werden. Sie sind immer samenfest.
Regulär zugelassene Sorten allerdings können auch Hybridsorten sein und es besteht keine Pflicht, entsprechendes Saatgut auf der Verpackung als „Hybridsaatgut“ oder „F1“ zu kennzeichnen (mehr erfährst du in unserem Artikel “Hybridsaatgut”).
Achte also beim Saatgutkauf darauf, dass die Sorte als „samenfest“ oder „nachbaufähig“ deklariert ist, um damit die Artenvielfalt und unabhängige Saatgutzüchter:innen zu unterstützen.
Zuerst einmal sei gesagt: In den meisten Baumärkten und Discountern gibt es nur eine sehr begrenzte Auswahl an Gemüsesorten, und die sind meist F1-Hybride.
Sieh dich nach Vermehrern in deiner Region um, die samenfeste Sorten im Angebot haben, oder frag in Gärtnereien nach samenfestem Saatgut nach.
Es gibt auch viele kleine und große Initiativen und Vereine, die sich für den Erhalt samenfester, regionaler und seltener Sorten sowie für die Abschaffung von Saatgutpatenten einsetzen.
Samenfestes Saatgut in Demeter-Qualität findest du zum Beispiel hier.
Auf Samentauschbörsen findet sich häufig Saatgut alter, regionaler und samenfester Sorten, das aber natürlich nicht zertifiziert ist. Die Qualität des Saatguts kannst du hier also nicht überprüfen, doch mit etwas Glück bekommst du so ganz besonderes Saatgut oder sogar eine regional angepasste Haussorte. Für Saatgut, das an die Bedingung deiner Region angepasst ist, sind deine gärtnernden Nachbarinnen und Nachbarn eine gute Adresse – der Saatguttausch lässt sich auch schön mit einem kleinen Plausch über den Gartenzaun verbinden.
Ist Bio-Saatgut immer samenfest? Und ist samenfestes Saatgut immer bio? Weder noch. Die Richtlinien der EU-Öko-Verordnung schreiben lediglich vor, das Saatgut über eine Saison beziehungsweise bei mehrjährigen Pflanzen über einen Vermehrungszyklus unter biologischen Bedingungen vermehrt worden sein muss, um als bio zu gelten. Ob die Sorte unter biologischen Bedingungen gezüchtet worden ist, spielt dabei keine Rolle. Es kann also sein, dass bei der Züchtung der Sorte zum Beispiel Pestizide zum Einsatz gekommen sind.
Selbst Hybridsaatgut (hier geht’s zum Artikel über Hybridsaatgut)kann bio sein, wenn die beiden Inzuchtlinien unter biologischen Bedingungen über eine Generation vermehrt worden sind und damit zumindest nicht aus dem Labor kommen. Nach Demeter-Richtlinien ist Hybridsaatgut allerdings nicht erlaubt.
Samenfestes Saatgut kann umgekehrt auch unter konventionellen Bedingungen gezüchtet oder vermehrt worden sein, ist also nicht immer bio.
Um die Vielfalt der Nutzpflanzen zu erhalten und die Macht der Großkonzerne nicht noch weiter zu steigern, kaufst du am besten samenfestes Bio-Saatgut regionaler, alter Sorten.
1. Anpassung an Standort
Samenfestes Saatgut ist genetisch sehr breit aufgestellt und kann sich so an alle möglichen Umweltbedingungen anpassen. Dadurch ist es widerstandsfähiger gegenüber Krankheiten und kann in deinem Garten mit der Zeit auch immer höhere Erträge abwerfen.
2. Mehr Auswahl
Du hast schlicht und ergreifend mehr Auswahl. Die Liste der samenfesten Sorten ist schier endlos, wohingegen beim Hybridsaatgut ein paar wenige Einheitssorten den Markt dominieren. Exakt den gleichen Blumenkohl wie alle anderen anbauen? Neee.
3. Längere Ernteperiode durch weniger konstante Leistung
Pflanzen aus Hybridsorten sehen alle gleich aus und werden gleichzeitig reif. Das bietet in der Landwirtschaft den Vorteil, dass alles auf einmal maschinell geerntet werden kann. In deinem Garten aber ist es besser, wenn dein Gemüse nach und nach ausreift, sodass du immer wieder nach Bedarf ernten kannst.
4. Kann selbst vermehrt werden
Weil Pflanzen aus samenfestem Saatgut ihre genetischen Eigenschaften an ihre Nachkommen weitergeben, können sie sortenrein weiter vermehrt und sogar im Hobbygarten nachgebaut werden. Das ist nicht nur eine ungemein befriedigende Aufgabe, sondern ...
5. Du sparst Geld
… du schonst auch deinen Geldbeutel. Da sich Hybridsaatgut nicht gut erneut anbauen lässt, müsstest du es immer nachkaufen. Außerdem ist Hybridsaatgut schlecht für die Sortenvielfalt. Dein eigenes Saatgut ist vielfältig und kostenlos.
6. Monsanto und Co. Werden nicht unterstützt
Doch selbst wenn du so gar keine Lust auf Saatgutvermehrung hast: Mit dem Kauf von samenfestem Saatgut in Bio-Qualität unterstützt du in der Regel Vermehrer:innen, die sich für Nachhaltigkeit und Sortenvielfalt einsetzen – und nicht die großen Agrarkonzerne, die nicht nur wegen ihrer Monopolstellung auf dem Saatgutmarkt in der Kritik stehen. Die vier größten Konzerne haben in der EU zum Beispiel die Rechte an 94 % der Gurkensorten und an 95 % der Karottensorten. Das muss nicht noch mehr werden.
7. Dein Beitrag zur Sortenvielfalt
Saatgut ist als Grundlage unserer Ernährung schon in seinem Ursprung ein Gemeingut. Früher konnte jede:r Landwirt:in eigenes Saatgut nachbauen, heute liegt die Macht über unsere Ernährung bei den Agrarkonzernen. Durch den Kauf von samenfesten Sorten und die Vermehrung in deinem Garten nimmst du das Saatgut im wahrsten Sinne des Wortes wieder selbst in die Hand und trägst zum Erhalt der Sortenvielfalt bei.
8. Investition in die Zukunft
Wenn wir in Zukunft nicht von der Willkür der Saatgutindustrie abhängig sein wollen, ist Vielfalt die einzige Alternative. Regional angepasste, samenfeste Sorten sind widerstandsfähiger gegen Umweltveränderungen und Extremwetterlagen. Und Dank des Klimawandels wird es davon in den nächsten Jahren immer mehr geben. Ohne die genetische Vielfalt und Anpassungsfähigkeit von samenfestem Saatgut werden häufiger Ernten vertrocknen oder weggespült werden. Es liegt auch in unserer Hand, ob Hybridsaatgut den Markt überschwemmt, oder ob stattdessen an der Züchtung ertragreicher, angepasster und samenfester Sorten gearbeitet wird.
Quellen
Bundesinformationszentrum Landwirtschaft: Woher stammt das Saatgut für unsere Lebensmittel? URL: https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/wie-funktioniert-landwirtschaft-heute/woher-stammt-das-saatgut-fuer-unsere-lebensmittel/
BMEL - Saatgut + Biopatente - Überblick über das Saatgutrecht. URL: https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/pflanzenbau/saatgut-und-biopatente/saatgutrecht.html
BSA: Sortenschutz (bundessortenamt.de)
OECD (2018): Concentration in Seed Markets. Potential Effects and Policy Responses. Home | OECD iLibrary (oecd-ilibrary.org)