Manche Frauen: essen plötzlich eine ganze Packung Tortilla-Chips, andere bekommen Migräne oder haben das Gefühl, jemand rammt ihnen ein Küchenmesser in den Unterleib. Darüber reden können sie meistens nicht, denn Menstruation ist immer noch ein Tabuthema. „Jetzt stell dich nicht so an!“, diesen Spruch müssen sich dann sogar einige Frauen: anhören, wenn sie doch offen über ihre Menstruationsschmerzen sprechen.
„Oft hilft es, darüber zu reden. Aber viele junge Frauen: tun das nicht“, sagt Helga Ell-Beiser. Sie ist Heilpraktikerin, hat ein Buch über Naturheilkunde für Frauen: geschrieben, doziert an der Freiburger Heilpflanzenschule und will in ihrer Praxis möglichst vielen Frauen: zu einer beschwerdefreien Periode verhelfen – und sie dazu ermutigen, eine positivere Einstellung zu ihrer Menstruation zu entwickeln. Denn Frauen: in patriarchalen Gesellschaften ist seit Jahrtausenden eine positive Einstellung zur Menstruation erschwert – auch heute noch. Zudem wird heute erwartet, dass sich Frauen: die Menstruation nicht anmerken lassen. Doch Regelschmerzen sind häufig sehr schwer zu ertragen. Eine wissenschaftliche Studie hat sogar bewiesen, dass Regelschmerzen so schmerzhaft wie ein Herzinfarkt sein können.
Häufig helfen dann nicht einmal die vielen Schmerzmittel, die Bauch-, Rücken- und Kopfschmerzen unterdrücken sollen. Warum ist die Forschung noch nicht weiter und lässt Frauen: weiterhin Schmerzmittel schlucken? Warum braucht die Periode bis heute mehr Forschung und Akzeptanz?
Der Grund: Die Medizin ist männlich. Noch bis 1898 weigerte sich der Deutsche Ärztetag, Frauen zum Medizinstudium zuzulassen. Es studieren heute zwar mehr Frauen: Medizin als Männer, dennoch sitzen in den Chefarztsesseln meistens ihre männlichen Kollegen. Das spiegelt sich auch in der Forschung wider.
Über diese Ungleichheit, den Gender-Data-Gap, wurde in den Medien nach dem Erscheinen des Buchs „Unsichtbare Frauen“ von Caroline Criado-Perez häufig berichtet: Unsere Welt ist eine von Männern für Männern gemachte Welt. Frauen: sind unsichtbar, die Sprache der in dem Buch gesammelten Daten ist eindeutig: Gleichberechtigt sind Frauen: und Männer nicht.
Das wird in allen Bereichen der Gesellschaft deutlich – auch viele medizinische Studien werden vor allem an männlichen Mäusen oder Probanden getestet. Der weibliche Körper sei durch hormonelle Schwankungen zu kompliziert dafür, das Risiko einer Schwangerschaft zu hoch.
Doch nicht immer waren Frauen in medizinischen Berufen unterrepräsentiert, wie Ell-Beiser in ihrem Buch ausführlich erklärt: Man muss allerdings weit in der Medizingeschichte zurückschauen: Die Heilkunde war Jahrtausende lang von Frauen dominiert. In der Steinzeit haben Frauen das Wissen über Heilpflanzen entdeckt und sich um Krankheiten und Geburten gekümmert.
Vor etwa 4.000 Jahren kam es zu gesellschaftlichen Umbrüchen, weibliche Gottheiten verloren bedeutend an Macht – und im Laufe der Zeit verschwanden Frauen allmählich auch aus den Heilberufen, das Amt der Priesterin und Heilerin wurde schließlich von Männern übernommen.
Im Mittelalter waren Frauen den Männern untergeordnet und geringgeschätzt, nur in abgelegenen Dörfern waren Hebammen nach wie vor „Ärztinnen des Volkes“. Ab dem 14. Jahrhundert wurden Frauen, die sich mit Heilkunde beschäftigten, sogar als Hexen verbrannt.
Trotzdem haben sich Frauen bis heute dieses Wissen teilweise erhalten. Vor allem im Bereich der Frauenheilkunde wünscht Ell-Beiser sich mehr Forschung. Denn es gibt auch hier große Lücken: Geforscht wird meist nur an Männern. „Dabei funktioniert der weibliche Körper ganz anders“, so Ell-Beiser.
Klassische Frauenkrankheiten wie Endometriose sind deshalb auch heute noch nicht ausreichend erforscht. Auch im Bereich der Naturheilkunde gibt es Lücken: „Arzneipflanzen, die Rheuma oder Erkältungen heilen können, tauchen häufig in den Büchern auf“, denn sie betreffen auch Männer.
Sie wünscht sich, dass auch Pflanzen der Frauenheilkunde in den Fokus der Forschung geraten. „Es soll schließlich auch den Frauen: geholfen werden“, betont sie. Dabei leiden rund 90 Prozent aller Frauen: an PMS, es gibt allerdings fünfmal so viele Studien zur erektilen Dysfunktion, an der zwischen fünf und zwanzig Prozent aller Männer leiden.
Die Liste der Beschwerden durch PMS ist lang: Bauchkrämpfe, Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen – die meisten dabei können mit Naturheilkunde gelindert werden. Doch in der Schulmedizin hat diese noch einen schweren Stand. Laut Ell-Beiser haben Frauen: heutzutage sogar zunehmend mehr Beschwerden. Das liege auch an Umwelteinflüssen wie Mikroplastik und Hormonen, die nicht aus dem Grundwasser gefiltert werden können. Östrogendominanzen nehmen ihrer Erfahrung nach deshalb zu.
Doch jeder Körper reagiert unterschiedlich auf Hormone. Jede Frau: hat einen eigenen Zyklus, „so wie wir alle individuelle Wesen sind“. Hormone sind komplex. Schon kleinste Abweichungen können Beschwerden hervorrufen. „In der Schulmedizin wird dann oft die Pille verschrieben, dann haben die Frauen: meist Ruhe, aber das ist ja nicht der Sinn der Pille – sie ist zur Verhütung gedacht“, erklärt Ell-Beiser.
Will man den Hormonhaushalt wieder ins Gleichgewicht bekommen, gibt es Hilfe aus der Natur. Einige Heilkräuter haben dank ihrer speziellen Inhaltsstoffe eine hormonähnliche Wirkung in unserem Körper – und können so die hormonelle Balance wiederherstellen. Ein Progesteronmangel und die daraus resultierende Östrogendominanz werden dann ursächlich behandelt und behoben.
Zusätzlich könne man in der Naturheilkunde mit entkrampfenden Pflanzen arbeiten. „Gänsefingerkraut, Kamille oder Schafgarbe“, zählt Ell-Beiser als Klassiker der Heilkräuter dabei auf. Es gibt eine große Anzahl an Heilkräutern, die speziell Frauen: helfen.
In ihrem Buch beschreibt Ell-Beiser 46 verschiedene Frauenheilpflanzen und deren Anwendung. Das Buch gibt einen großen Einblick in die Welt der Frauenheilkunde mit zahlreichen Tipps zur Selbstbehandlung. Es werden aber auch die Grenzen aufgezeigt, bei der man sich zusätzlich ärztlichen Rat einholen sollte.
In der Praxis von Ell-Beiser suchen Frauen mit Menstruationsbeschwerden vor allem Rat mit einer schmerzhaften oder zu starken Periode. Je nach Ursache gibt es aus der Heilpflanzenkunde Hilfe und es werden passende Therapiekonzepte erstellt.
Daraus erstellt die Heilpraktikerin Therapiekonzepte mit Tees, Tinkturen oder Fertigarzneimitteln. Hier ist ein Klassiker aus ihrer Praxis:
Ell-Beisers Tipp vorab: Den Tee nicht erst trinken, wenn die Krämpfe schon stark da sind, sondern schon drei bis fünf Tage davor, damit die Gebärmutter nicht schon verkrampft. „Eine verkrampfte Gebärmutter zu entspannen ist viel schwieriger als im Vorfeld zu schauen, dass sie sich erst gar nicht so anspannt“, erklärt sie.
Falls du jetzt sofort Lust bekommen hast, selbst ein bisschen herumzuexperimentieren: Es können durchaus Nebenwirkungen auftreten. Vor allem die Einnahme von Mönchspfeffer und Yamswurzel sollte nur unter ärztlichem Rat stattfinden. Einige Kräuter kann man ganz einfach im Garten anbauen. Getrocknet hast du das ganze Jahr über einen Vorrat zuhause.
Doch ein Tee aus Heilkräutern ist kein Zaubertrank: Frauen: müssen zunächst ihren Körper besser kennenlernen. Das braucht Zeit, Heilkräuter wirken nicht über Nacht: „Es gehört Geduld dazu, den Körper zu beobachten und herauszufinden, was er braucht. Aber diese Erkenntnisse sind etwas sehr Wertvolles.“ Und während man das tut, kann man getrost die ein oder andere Packung Tortilla-Chips essen – hoffentlich dann ohne Schmerzen.